Eine Nachricht in Zeiten von Corona: Ein eher korpulenter Mann, Mitte siebzig, wird mehr oder minder aus seiner Wohnung gezerrt, in der er sich aus Angst vor COVID-19 wegen seiner Vorerkrankungen
für Wochen verschanzt hat. Er erzählt von Dosenravioli, Diabetes und Alkohol. Und dann bricht es plötzlich aus ihm heraus – und die Tränen quellen aus seinen kleinen Augen: »Ich hab doch gar
niemanden!«
Mann, wie traurig! Keine Freunde, keine Familie. Eltern wahrscheinlich tot, von der Partnerin, wenn es eine gab, getrennt. Mit den Kindern, wenn es welche gab, zerstritten. Allein in dieser Welt. Endstation. Kein Raum mehr für Optimismus.
Wir Menschen brauchen einander. An seine eigene Schulter kann man sich nicht lehnen. Sich selbst küssen geht nur mit einem kalten Spiegel.
Natürlich müssen wir immer wieder für uns sein. Mal Ruhe von allen anderen haben. Aber existenzieller brauchen wir Umarmungen, Trost, Spaß, Unsinn, Hilfe, Rat, Zärtlichkeit, Sex. Sich gegenseitig aufziehen und auch mal streiten, miteinander schweigen, sich inspirieren und herausfordern, nebeneinander einschlafen, füreinander kochen, sich pflegen, sich ablenken, sich beim Anlegen der Kompressionsstrümpfe helfen, in den Arm genommen werden und heiße Schokolade ans Bett gebracht bekommen. Oder eine Wärmflasche.
Ohne all das sind wir leere Akkus. Sinnvoll wird Menschsein erst im Zusammenhalt.
In Zeiten der Krise, wie die unter dem Joch des Coronavirus, ist das besonders spürbar. Der einzige Trost, den es am Tag nach dem Erleben des einsamen Mannes in den Nachrichten gab, war, einer alten Dame, die nach 55 Jahren harmonischer Ehe coronabedingt ihren dementen Mann im Heim nicht einmal besuchen durfte, Nudeln, Butter, Eier und Medikamente zu kaufen und vor die Tür zu stellen. Optimismus lebt eher in kleinen Momenten als im Gesamtbild.
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